Ein Wochenende voller Ratten – Raketenstart ins Rollenspiel mit Hero Kids

Ich (Jaylee) hatte ja gehofft, dass dieser Moment kommen würde, aber dass Pen and Paper so bei meinem Kind einschlägt, damit habe ich nicht gerechnet. Natürlich weiß mein 5-Jähriger, dass ich »dieses Spiel« spiele – Mama trifft sich da mit Freunden, und dafür braucht man ganz viele Würfel. Als er 3 war, fanden diese Runden auch gelegentlich bei uns statt – wobei er nach dem Essen normalerweise ins Bett ging. Als Säugling war er jede Woche dabei, schlief friedlich oder kuschelte mit Mama, während wir als Orks, Magier und Heiler ein ums andere Mal in die dunklen Gassen abtauchten.

Wie viele Türme er mit meinen Würfeln schon gebaut hat? Unzählige. Aber letzten Donnerstag wollte er dann mitspielen. Nachdem wir beide eigentlich nur zum Pizzaessen bei meiner Runde vorbeischauten, hatte mein Kobold sich ausgedacht, dass er eine Fee spielen will. »Und sie heißt Franzi«, sagte er ganz spontan. Ein paar erwachsene Gedanken später war mir schon klar, dass Shadowrun nicht unbedingt ein kindgerechtes System ist, und wir gingen nach der Pizza trotzdem nach Hause. Schon im Bus kam die Frage: »Mama, aber wann spielen wir jetzt Shadowrun

Freitag um 6 – keine 24 Stunden später – hatte sich die Frage schon sicher fünfmal wiederholt, und ich startete eine kurze Recherche und den Drucker. Das erstbeste (und nicht zu umfangreich aussehende) System, über das ich stolperte, war Hero Kids. 30 Minuten später waren wir im ersten Dungeon, und mein Kind verkloppte übergroße Ratten im Einstiegsabenteuer »Keller voller Ratten«. Wäre es nach ihm gegangen, hätten wir direkt mit dem zweiten Abenteuer weitergemacht. Aber dafür war es einfach zu spät. Samstagmorgen um 7 saßen wir dann wieder an den Würfeln: »Dunkelheit unter Rivenshore« stand auf dem Programm – die ersten zwei Begegnungen haben wir tatsächlich vor dem Frühstück gespielt.
Mit einigen Unterbrechungen (Essen, frische Luft, ein Mittagsschlaf für Mama) haben wir noch zweieinhalb weitere Abenteuer an diesem Wochenende gespielt, und zwischendurch hat er sich auch selbstständig mit den Karten und Aufstellern beschäftigt. Bei jedem Abenteuer habe ich neben dem Leiten auch ein Heldenkind gespielt – seinen Charakter da allein hineinzuschicken, wäre mir komisch vorgekommen. Da es bei Hero Kids viele vergleichende Proben gibt, durfte immer derjenige die Gegnerwürfel würfeln, der gerade nicht betroffen war. Griff sein Charakter an, verteidigte ich. Wurde mein Charakter angegriffen, würfelte er diesen Wurf. Die Regeln hatte der Kobold nach relativ kurzer Zeit begriffen, nur der Unterschied zwischen »Intelligenz« (in dem Fall 3 Würfel) und »Initiative« (1 Würfel) hat bis Sonntag gedauert.

Kurzerhand habe ich Sonntagnachmittag (weil ich krank war und keine Nerven hatte, mich auf neue Inhalte einzulassen) einen Teil 2 von »Keller voller Ratten« improvisiert, der Querverbindungen zu »Dunkelheit unter Rivenshore« herstellt, das wir tags zuvor gespielt hatten. Ohne die Vorlesepassagen, die ich bei »Herrschaft des Drachen« zum Teil arg lang fand, kam viel mehr Interaktion vom Kobold – vor allem mit dem Begleiter-NSC, aber auch mit Roger, dem NSC-Kind aus dem Einstiegsabenteuer, das ich diesmal als Auftraggeber wählte, und dem Drachen. Der musste auf expliziten Wunsch auch wieder auftauchen. Außerdem habe ich mit einer kurzen Szene gestartet, in der die Helden auf dem Marktplatz Verstecken spielten – ohne Regeln, so wie sonst hier halt auch mit Klemmbausteinfiguren gespielt wird. Ich denke, das war ein guter Einstieg. Nachdem mein Kind schon in zwei der drei vorherigen Abenteuer den gleichen Charakter gewählt hatte, habe ich ihn dann hier einen Ausrüstungsgegenstand finden lassen – das kam sehr gut an! Der Grundstein zum Steigern könnte damit gelegt sein, denn mit dem Ausrüstungsgegenstand gibt es auch eine regeltechnische Verbesserung des Charakters.

Mein besonderes Highlight: Als ich um eine Pause bat, baute er kurzerhand selbst mit den gedruckten Kartenteilen eine Kanalisation auf und meinte dann: »Also Mama, dein Abenteuer beginnt …« Ich musste eine Fee retten, die dort unten verschwunden war. Unter anderem schlich ich an einem Becken voller Seeschlangen vorbei und kroch durch einen schmalen Tunnel. Ich entdeckte einen Geheimgang und sah mich einer ganzen Kompanie Ratten gegenüber, die einen Bären gefangen hielten, der eigentlich zu uns gehörte. In dem vom Kind geleiteten Abenteuer haben wir zwar nicht gewürfelt, aber allein die Kreativität und wie die Spielmaterialien ihn inspiriert haben, hat mich immens fasziniert.

Ich kann wohl sagen: Das Hobby hat einen neuen Fan. Und ich glaube nicht, dass es unser letztes Nerdwochenende war.

– Jaylee

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